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04.12.2021

Stadtgerichtsbuch über Auflassungen Soldin 1564-1640

Dieses historische Dokument des Magistrates der Stadt Soldin, archiviert im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, Signatur Rep. 8 Soldin 3, enthält Auflassungen von Grundstücken.

Unter Auflassung versteht man heute im Grundstücksrecht die dingliche Einigung zwischen Käufer und Verkäufer über die Übereignung eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts. Früher bezeichnete man als Auflassung auch das Ende der Nutzung oder die Aufgabe der Sache. Im älteren deutschen Recht musste sich der Veräußerer öffentlich von seinem Grundstück lossagen, was entweder bei Gericht öffentlich oder auf dem Grundstück durch ein feierliches Verlassen geschah.

Es handelt sich hierbei um gerichtlich, also rechtsverbindlich, festgehaltene Übereignungen von Grundstücken, Häusern und Höfen, Scheunen, Ställe uvm.

Zur eindeutigen Beschreibung des Objektes gehörte damals, wie heute, eine exakte Bestimmung der Lage und Größe, sowie Zustand der Sache. Heutzutage greifen wir in solchen Fällen auf die Liegenschaftskataster des Landes und der Kommunen zurück. Über Gemarkung, Flur, Flurstück oder Grundstück- bzw. Hausnummer ist ein so zu übereignendes Objekt (Grundstück) eindeutig beschrieben. Im Grundbuch können Baulasten, Schulden, etc. vom Erwerber vorab eingesehen werden.

Ich habe mich gefragt, wie man vor über 450 Jahren diese eindeutige Bestimmung hergestellt hat. Die heutigen Methoden der Geodäsie zur Lage- und Größenbestimmung waren noch nicht entwickelt, Liegenschaftskataster heutiger Prägung existierten noch nicht.

Geodäsie:
Nach der klassischen Definition von Friedrich Robert Helmert (1880) ist die Geodäsie die “Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche”. Diese Definition umfasst die Bestimmung der geometrischen Figur der Erde, ihres Schwerefeldes sowie ihrer Orientierung im Weltraum. Die Geodäsie beschäftigt sich sowohl mit solchen globalen, wissenschaftlichen Fragestellungen als auch mit kleinräumigeren Aufgaben von der Festlegung und Bestimmung von Ländergrenzen bis hinunter zum einzelnen Grundstück, sowie mit der Vermessung der unterschiedlichsten Objekte bis zu kleinsten Werkstücken.

Die ersten Menschen vor der Antike, die sich mit der Geometrie beschäftigten, waren wohl die Landmesser Ägyptens. Die Griechen gaben ihnen den Namen Harpedonapten (Schnurspanner). Durch Spannen von geknoteten Schnüren konnten die ägyptischen Landmesser auf dem Erdboden Geraden, Kreise und Winkel abstecken.

Mit dem Aufbruch in die Neuzeit sorgten die Bedürfnisse von Kartografie und Navigation für einen Entwicklungsschub. Neue Messinstrumente wie der Messtisch (Prätorius, Nürnberg 1590) wurden entwickelt. Ab etwa 1700 verbesserten sich die Landkarten erneut durch exakte Rechenmethoden (mathematische Geodäsie)

Zurück zur Frage:
Die Antwort auf meine Frage habe dann beim genaueren Studium der Texte gefunden.

Der Auflassungstext beginnt in der Regel mit den Vor- und Nachnamen des alten und des neuen Besitzers. Dann folgen die Bezeichnung und der Ort des Grundstückes, danach zur genaueren Ortbestimmung oft die Namen der Nachbarn und deren Objekte. Zum Eintrag gehört dann noch der Hinweis, ob das Objekt frei ist und weitere gerichtliche Anmerkungen, sowie abschließend Jahr und Datum des Eintrages. Hier ein einfaches Beispiel (Text geringfügig angepasst) also nicht Buchstaben getreu:

Merten Hofemester hat Matthis Stenicken öffentlich vor Gerichte verlassen und abgegeben seinen Hopfengarten vorm Neuenburger Tor neben Prentzelows Morgenlande und der Mittelparzelle Garten usw. Anno 1565 Donnerstag nach Kilian.”

Im Text findet man das rechtsverbindliche öffentlich erklärte Verlassen des Grundstückes, sowie die Lage des Objektes durch die Nennung der Nachbargrundstücke. Damit war das Objekt nach dem damaligen Stand eindeutig bezeichnet und konnte auf einfachen Landkarten eindeutig bestimmt werden. Die Nennung der Nachbarn wurde auch später bis weit ins 18. Jahrhundert hinein beispielsweise im Feuersozietätskataster zur eindeutigen Lagebestimmung der Gebäude in der Stadt verwendet. Beispiele hierzu finden sich in der Tabelle „Hausbesitzer Soldin 1706“.  Erst Napoleon hat, wie wir wissen, Hausnummern an die Gebäude malen lassen, um die Gebäude eindeutig zu kennzeichnen, was bis dahin oft nur durch die Namen der Besitzer oder eine besondere Bezeichnung geschah.

Die Originaltexte der Auflassungen im Stadtgerichtsbuch Soldin 1564-1640 sind nicht in allen Fällen so verständlich wie im voran gestellten Beispiel. Für die Veröffentlichung der Daten aus dieser Quelle werde ich die im Text enthaltenen Namen und Bezeichnungen der Objekte sowie deren Beziehungen in einem allgemein verständlichen Satz gekürzt wiedergeben:

„Merten Hofemester hat seinen Hopfengarten vorm Neuenburger Tor neben Prentzelows Morgenlande und der Mittelparzelle Garten an Matthis Stenicken abgegeben.“

„Peter Brisemester hat seinen Hopfengarten vorm Pyritzer Tor neben Brose Kriesters und Jacob Schultzens Garten an Andreas Meissener abgegeben.“

„Simon Wedel hat sein Haus und Gehöft neben Simon Wedels Buden und Wulff Albrecht an seinen Sohn Hans Wedel abgegeben.“

„Andreas Meissener, ein Feilenmacher, hat seine Scheune vorm Pyritzer Tor neben Teus Pasenows und Paul Heisters Scheune an Peter Brisemester abgegeben.“

Im Durchschnitt werden je Auflassung 2-4 (in Einzelfällen auch mehr) Personen genannt. Für jede enthaltene Person wird ein Hinweis im gekürzten Format in der Soldin-Datenbank veröffentlicht.
Nach überschlägigen Berechnungen werden dies etwa 3.600 Einträge sein, die wieder viele noch nicht bekannte Einwohner (geschätzt ca. 1.200) der Stadt Soldin im Zeitraum 1564-1640 nennen.

Quellen: Begriffsdefinitionen „Auflassungen, Geodäsie und historische Entwicklung“ aus Wikipedia.

Admin - 19:08:36 @ Allgemein | 2 Kommentare